Auf den Spuren des Physik-Nobelpreises

Physikbegeisterte Studierende begeben sich am Riehl gemeinsam mit ihrem Lehrer Harald Pietzsch auf die spannende Suche nach Photonen, denn der Physikunterricht des 3. Semesters am Riehl-Kolleg Düsseldorf steht seit Jahren unter der Überschrift „Erforschung des Lichts bzw. Photons“.

Mit dem Photon wird eines der beiden Quantenobjekte des Schulunterrichts (das andere ist das Elektron) in den Blick genommen. Gleichzeitig wird mit der historischen Entwicklung der Modellvorstellungen von Licht (Strahlenmodell, Wellenmodell, Quantenmodell) naturwissenschaftliche Beschreibung als Entwicklungsprozess begreifbar - der noch längst nicht abgeschlossen ist.

Experimentell tatsächlich einzelne Photonen zu untersuchen ist bisher (d.h., seit einigen Jahrzehnten) nur in Forschungslaboren möglich gewesen. Pionieren auf diesem Gebiet wurde 2022 der Nobelpreis für Physik verliehen: John F. Clauser, Alain Aspect und Anton Zeilinger. Auf ihren Forschungsarbeiten basiert die Konstruktion des sogenannten Quantenkoffers der Firma qutools http://www.quantenkoffer.com. Gefördert durch die Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung werden u.a. an der Ruhr Universität Bochum zurzeit die Chancen und Möglichkeiten dieses Experiments für den Physikunterricht der Oberstufe erforscht.

Daraus ergab sich die Möglichkeit, die von Albert Einstein postulierten Lichtquanten und ihre merkwürdigen Eigenschaften am Riehl-Kolleg genauer zu untersuchen!

In diesem ersten Bericht geht es „nur“ um die Untersuchung von Einzelphotonen. Aber auch diese Beobachtungen erschüttern schon mächtig unsere klassische Weltvorstellung – oder etwas griffiger formuliert: unseren gesunden Menschenverstand.

In einer zweiten Reihe, deren Bericht dann folgen wird, werden sogenannte verschränkte Photonenpaare untersucht. Über dieses Phänomen wurden jahrzehntelange Debatten geführt, die erst durch die Arbeiten der aktuellen Nobelpreisträger experimentell entschieden werden konnten.

 Die erste Experimentierserie beleuchtete folgende Aspekte

  • Die Erzeugung einzelner Photonen
  • Transmission und Absorption von Photonen an einem Polarisationsfilter
  • Ersetzen des bekannten Doppelspalts durch einen Strahlteiler
  • Photonen im Michelson-Interferometer und der „Quantenradierer“

Die Ergebnisse aller Experimente konnten mit dem Quantenkoffer (sh. Bild oben) eindrucksvoll live vorgeführt werden. Sie konnten sogar, den Fragen von Studierenden folgend, in Grenzen variiert werden. Nicht alles klappte auf Anhieb, aber auch das macht die Überzeugungskraft solcher Demonstrationen aus.

In die wundersame Welt der Quanten konnte damit ein erster, überzeugender Einblick ermöglicht werden. Die mathematische Beschreibung dieser Phänomene wird jedoch auch auf Dauer jenseits der Zugänglichkeit für Schule bleiben. Aber dafür gibt es ja die Möglichkeit eines Physikstudiums J.

Unbestritten entspringen diesen physikalischen Grundlagen gerade eine Vielzahl neuer technologischer Anwendungen.

Die Erzeugung einzelner Photonen

In einem speziellen Material und unter genau definierten Bedingungen ist es möglich, dass ein einzelnes Photon in zwei Photonen mit je halber Energie umgewandelt wird. Das passiert so selten, dass ein schneller Detektor mit einer schnellen Elektronik die entstehenden Photonenpaare einzeln registrieren kann. Es sind ein paar Tausend pro Sekunde. Sie werden im Kofferboden erzeugt und dann nach oben geführt, sodass mit ihnen experimentiert werden kann.

Transmission und Absorption von Photonen an einem Polarisationsfilter

Auch Photonen haben die Eigenschaft einer Polarisation, wobei das klassische Modell einer ausgedehnten transversalen Welle ja nicht mehr zutrifft. Die Wunder der Quantenwelt lassen grüßen! Es ist zu beobachten, dass ein einzelnes Photon den Polarisationsfilter nur passieren oder nicht passieren kann. Passiert ein einzelnes Photon den Polarisationsfilter, so nimmt es seine Polarisationsrichtung an, behält sie und trägt danach keinerlei Informationen mehr darüber, welche Polarisation es vorher hatte.

Wenn sehr viele Photonen beobachtet werden, erhält man aber die gleichen Ergebnisse, wie sie das Wellenmodell liefert, weshalb seine Vorhersagen nicht falsch werden. Also: Einzelne Photonen verhalten sich rein statistisch, nur die Mittelwerte der beiden Ergebnisse sind vorhersagbar.

Oben links (hellblau) ist die Photonenquelle A. Danach passiert das Photon zwei Polarisationsfilter: der erste ist fest eingestellt, der zweite rotiert. Im Detektor A (graues Quadrat oben rechts) wird dann ständig gemessen, ob ein Photon die Filter passiert, oder absorbiert wird.

Ersetzen des bekannten Doppelspalts durch einen Strahlteiler

Warum untersuchen wir einzelne Photonen nicht ebenfalls an dem Doppelspalt, der so wunderbar das Wellenmodell bestätigt hat? Wäre doch spannend mal nachzusehen, was ein einzelnes Photon im Doppelspalt und dahinter macht.

Weil das experimentell problematisch ist, wird ein Trick angewendet: Statt 50:50 für linken oder rechten Spalt wird dem Photon in einem sogenannten Strahlteiler (50%-Spiegel) die 50:50-Chance für geradeaus durchgehen, oder rechtwinklig zur Seite abgelenkt werden gegeben. Damit können „auf beiden Wegen“ separate Untersuchungen durchgeführt werden, bevor sie danach wieder zusammengeführt werden. Ab diesem Zusammenführungspunkt passiert dann das Gleiche wie hinter dem Doppelspalt.

Und was macht ein Photon nun, wenn es vor solch eine 50:50 Chance gestellt wird? Die Experimente zeigten eindeutig, dass es entweder die eine Option, oder die andere Option wählen muss: also geradeaus oder „abbiegen“ bzw. linker Spalt oder rechter Spalt! Das Photon teilt sich am Spiegel (oder am Doppelspalt) nie auf! 

Photonen im Michelson-Interferometer und der „Quantenradierer“

Das Michelson-Interferometer stellt eine Variante des oben beschriebenen Tricks dar, wobei es nun interessant ist zu untersuchen, wie ein Photon, dass nach klassischer Vorstellung entweder Weg 1 oder Weg 2 genommen hat, vom jeweils anderen Weg Kenntnis haben und damit zu einem Interferenzmuster beitragen kann.

Und wieder begegnete uns eine wundersame Überaschung der Quantenwelt: Wenn nach dem Zusammenführungspunkt physikalisch nicht unterschieden werden kann, ob das Photon Weg 1 oder Weg 2 durchlaufen hat, dann treten die bekannten Interferenzerscheinungen auf. Wie ein „einzelnes Photon“ das hinbekommt, ist klassisch nicht vorstellbar, aber die Quantenmechanik beschreibt es richtig.

Das Interferenzmuster zweimal durchgefahren

Überraschung 2: Wenn z.B. durch verschieden eingestellte Polarisationsfilter im Weg 1 bzw. Weg 2 das Photon „markiert“ wird, sodass nach der Zusammenführung festgestellt werden könnte, welchen Weg das Photon genommen hat, dann verschwindet die Interferenzerscheinung komplett. Der „gesunde Menschenverstand“ könnte fragen: Woher „weiß“ denn das Photon, dass z.B. über Weg 1 gekommen ist, dass der Polarisationsfilter im Weg 2 eine andere Einstellung hatte? Auch darauf gibt es keine Antwort der „klassischen“ Physik, aber die Quantentheorie beschreibt auch dieses Ergebnis genau richtig.

Kein Interferenzmuster mehr zu erkennen.

(Die automatische Vergrößerung der „y-Koordinate“ ist nicht abschaltbar. Die Maximalwerte entsprechen jenen zwischen den Interferenzmustern im obigen Diagramm)

Überraschung 3 war der sogenannte „Quantenradierer“: Wenn die „welcher-Weg“-Information nach der Zusammenführung wieder gelöscht wird (daher der Name Quantenradierer), dann tritt die Interferenzerscheinung wieder zu Tage. Und wieder zweifelt der „gesunde Menschenverstand“ an sich selber, aber die wissenschaftliche Beschreibung der Quantenwelt ist auch hier absolut zutreffend.

Das Interferenzmuster tritt wieder auf. Wie oben wurde es zweimal durchfahren.
Die geringere Intensität ergibt aus dem „Markieren“ und danach wieder „Radieren“ ;-)